Das ADEBAR-Projekt ist ein durch die Europäische Union gefördertes Kooperationsprojekt in Deutschland. Das erste Projekt ADEBAR wurde im Juli 2017 (Fördernummer: IZ25-5793-2016-27) begonnen und lief zwei Jahre. Von September 2019 bis Februar 2023 wurde die Arbeit im Projekt ADEBAR plus (Fördernummer: IZ25-5793-2019-33) fortgesetzt. Seit Dezember 2023 bis voraussichtlich November 2027 wird es als Projekt NETZWERK ADEBAR fortgeführt. Das Kompetenznetzwerk ADEBAR-Projekt besteht aus dem Bundeskriminalamt (BKA), sieben Landeskriminalämtern (LKÄ) (Bayern (BY), Berlin (BE), Baden-Württemberg (BW), Hessen (H), Nordrhein-Westfalen (NRW), Rheinland-Pfalz (RLP), Schleswig-Holstein (SH)), dem Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung (Generalzolldirektion, BWZ) und seit den Folgeprojekten ADEBAR auch den Universitäten Mainz, Münster und Freiburg.
Das Akronym "ADEBAR" steht für den Ausbau analytischer Datenbanken, Erhebung und bundesweite sowie internationale Bereitstellung von analytischen Daten, pharmakologischen Daten, Metabolitenspektren und Referenzmaterialien für neu auf dem Drogenmarkt auftretende Stoffe.
ADEBAR plus wurde im Vergleich zum Vorgängerprojekt um die Bereiche Methodenentwicklung, pharmakologische Untersuchung und Synthese von Designerdrogen erweitert. Das Projekt NETZWERK ADEBAR wurde um den Bereich der elektrochemischen Synthese von Designerdrogen-Metaboliten und deren Abgleich mit Metaboliten aus Körperflüssigkeiten ergänzt. Neben der Analyse der von der deutschen Polizei und dem Zoll beschlagnahmten Proben werden im Rahmen des ADEBAR-Projekts auch proaktiv im Internet gekaufte Proben analysiert.
Koordination strukturanalytischer Arbeiten für neu auf dem Drogenmarkt auftretender Stoffe
Erhebung und Publikation von validen analytischen Daten zur zweifelsfreien Identifizierung
zweifelsfreie Identifizierung von isomeren Verbindungen, insbesondere aus den Anlagen des BtMG
Bereitstellung von Referenzmaterial für alle Polizei- und Zolllabore
Synthese und Charakterisierung von neuen Designerdrogenvarianten
Erhebung von pharmakologischen Parametern für NPS und Designerdrogenvarianten
elektrochemische Synthese von NPS-Abbauprodutken (Metaboliten) und deren Abgleich mit dem Vorkommen in Körperflüssigkeiten
Durchführung von Ringversuchen für neue psychoaktive SToffe zu Laborvergleichsuntersuchungen
Ausrichtung eines Symposiums mit analytischem Schwerpunkt für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller polizei- und zollkriminaltechnischen Labore
Erweiterung der im Gesamtprojekt ADEBAR programmierten, international zugänglichen, webbasierten Datenbankplattform NPS Data Hub
Begleitung von Gesetzesvorhaben und -änderungen auf dem Gebiet der neuen psychoaktiven Stoffe (NPS) und Betäubungsmittel (BtM)
enge Zusammenarbeit mit der EMCDDA/EUDA
Neun kriminaltechnische Institute der deutschen Polizei und des Zolls sind in den Analyseprozess eingebunden. Die drei Universitäten füllen die Bereiche Synthese, pharmakologische Untersuchung und Metabolitenerforschung von NPS aus. Jeder analytische Projektpartner erfüllt einen bestimmten Aspekt innerhalb des Kompetenznetzwerks. Die wissenschaftliche Zentralstelle des Projekts befindet sich in Kiel beim Landeskriminalamt Schleswig-Holstein, wo auch der Großteil der analytischen Datenerfassung, -verarbeitung und -veröffentlichung stattfindet. Wie bei den anderen Kriminaltechnischen Instituten in Deutschland sind auch in Kiel nicht alle Analysetechniken verfügbar. Daher werden im Rahmen des ADEBAR-Projekts die analytischen Möglichkeiten aller Projektpartner genutzt, um einen umfassenden analytischen Datensatz zu erhalten. Die Vielzahl der mit unterschiedlichen Analysemethoden erhobenen analytischen Daten gestattet einen weiten Anwendungsbereich. Sie werden in universelle Austauschformate konvertiert und allen deutschen Polizei- und Zolluntersuchungslaboren sowie auch europa- und weltweit kostenfrei zur Verfügung gestellt. Das Fachwissen der verschiedenen Projektpartner wird auch zur Entwicklung neuer Methoden für die Quantifizierung von NPS genutzt.
Neue Varianten von synthetischen Cannabimimetika, die in Zukunft auf den Markt kommen könnten, werden vom Institut für Organische Chemie der Universität Mainz gezielt synthetisiert.
Am Universitätsklinikum Freiburg - Institut für Rechtsmedizin werden die Rezeptorbindungsaffinität und die intrinsische Aktivität für neu aufgetretene und spezifisch synthetisierte Designerdrogen bestimmt. Die pharmakologischen Daten sind wesentliche Parameter für die Bewertung der psychotropen Wirkung und Potenz der Designerdrogenvarianten.
Im Rahmen des ADEBAR-Projekts wurde der NPS Data Hub, eine international zugängliche Datenbank für analytische Daten von NPS, erweitert, um die Benutzerfreundlichkeit zu erhöhen und die Funktionalität zu erweitern. Dieser Teil der Weiterentwicklung wird vom BKA koordiniert. Einer der Meilensteine in der Weiterentwicklung des NPS-Data Hub war die Bereitstellung eines automatisierten Konformi-tätsprüfungstools für Substanzen nach dem NpSG für alle deutschen forensisch-chemisch arbeitenden Unter-suchungsstellen.
Darüber hinaus ermöglichen die instrumentellen Kompetenzen im BKA die Reinheitsbestimmung von Großsicherstellungen und damit die Erstellung von Referenzmaterial mit Analysenzertifikat zur Verteilung an alle deutschen kriminaltechnischen Labore von Polizei und Zoll.
Der Arbeitsablauf der Strukturaufklärung neuer Stoffe und die analytische Datenerfassung bei bereits bekannten Stoffen im Rahmen des ADEBAR-Projekts sind in dem Ablaufdiagramm unten abgebildet. Die Proben werden mit spektroskopischen und spektrometrischen Techniken charakterisiert (GC-MS, [N]IR, GC-sIR, NMR, LC-[HR]MS und Raman). Nach Abschluss der Analytik wird ein Bericht über die analytischen Ergebnisse erstellt und national, europaweit und weltweit veröffentlicht, einschließlich der gleichzeitigen Übermittlung der Berichte an das Frühwarnsystem (engl. Early Warning System (EWS)) der EMCDDA. Die Berichte und die in universelle elektronische Formate konvertierten Analysedaten werden über nationale und internationale Foren und Datenbanken kostenfrei zugänglich gemacht.
Die Auswahl der Analysetechniken, die für eine wissenschaftlich fundierte Identifikation in Abhängigkeit von der analytischen Fragestellung erforderlich sind, lehnt sich an das Analyseschema aus den Empfehlungen der Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für die Analyse von sichergestellten Drogen (SWGDRUG) und das Praxishandbuch des Europäischen Netzes der kriminaltechnischen Institute (ENFSI) an. Die Analysetechniken sind nach dem Grad der unter idealen Bedingungen erreichbaren Selektivität und Identifikationsstärke unterteilt. Analysetechniken der Kategorie A erreichen die höchste Selektivität für eine zuverlässige Identifizierung von Analyten. Die eindeutige Identifizierung einer Verbindung gemäß den Empfehlungen von SWGDRUG und ENFSI erfordert die Kombination orthogonaler Analysetechniken, die sich unterschiedliche chemische und physikalische Eigenschaften zunutze machen. Als Mindestanforderung ist dort eine Kombinationen von zwei Analysetechniken, von denen mindestens eine der Kategorie A angehört, oder eine Kombination von drei Analysetechniken (zwei Kategorie B + eine Kategorie C) angesehen. Im Rahmen des ADEBAR-Projekts ist die Mindestanforderung für eine gültige Identifizierung immer auf zwei Analysetechniken der Kategorie A festgelegt. Nur so können auch eng verwandte Isomere zuverlässig unterschieden werden. Eine Kombination von Analysetechniken lediglich aus A + B oder A + C reicht dafür in vielen Fällen nicht aus.
Das ADEBAR-Projekt spielt eine entscheidende Rolle bei der Strukturaufklärung und Charakterisierung von NPS und anderen Substanzen, die in der EU auf dem Drogenmarkt erscheinen. Die enge Zusammenarbeit des ADEBAR-Projekts mit der EMCDDA/EUDA führt zu einem zeitnahen Informationsaustausch und einer besseren Überwachung der Verbreitung und der potenziellen Schäden im Zusammenhang mit NPS. Dieser Datenaustausch erleichtert die rechtzeitige Meldung der Entdeckung von NPS in anderen Mitgliedstaaten der EU. Es ist unwahrscheinlich, dass die Dynamik des Marktes für NPS und Designerdrogen in Zukunft nachlassen wird. Weitere Forschungsarbeiten großer Pharmaunternehmen, insbesondere im Bereich der Cannabinoidrezeptormodulatoren, könnten zum Aufkommen neuer Klassen von synthetischen Cannabimimetika führen. Eine zentrale Institution für die Strukturaufklärung und die Beschaffung von validen, qualitativ hochwertigen Analysedaten ist in Zukunft wichtig.